Neulich hab ich wieder in meinem Kalender geblättert. Da hab ich´s entdeckt. Die letzte, die 10. Strahlenkontrolle in Graz ist im Frühling 2022. Das ist doch wirklich ein Grund zum Feiern!
Mitte Dezember vor 10 Jahren hat ein lieber Arzt bei einer Routineuntersuchung etwas Störendes gefunden: eine bösartige Zellversammlung in meiner Brust. Klein, aber unnötig für langes Leben. Zwei Operationen, vorher noch unzählige Untersuchungen, ob es böse ist oder doch nicht. Ich war so sicher, dass alles gut wird. Und jetzt hab ich die Bestätigung. Alles ist gut!
Noch auf dem Parkplatz vor der Ordination fiel mir damals ein Stein vom Herzen! Endlich brauchte ich nichts mehr für andere tun! „Jetzt kümmer ich mich nur mehr um mich.“, wusste ich sofort. Ich stornierte mein Ehrenamt im Elternverein und sagte alles ab, wozu ich mich selbst überredet hatte. Eine neue Zeit begann für mich.
Gehen hilft, reden hätte auch geholfen
Gleich nach der Diagnose hat mir das Gehen sehr geholfen. Viele Stunden war ich unterwegs, wenn die Gedanken zu schwer waren. Wieder zurück, zuhause, wusste ich wieder einen Weg, wie es weitergeht, wie ich das alles schaffen kann.
Gesprochen hab ich mit niemandem drüber. Erst viel später ist mir das aufgefallen. Zu den beiden OPs hat mich mein Mann hingebracht. Am Parkplatz bin ich aus dem Auto ausgestiegen, hab „Pfiat di“ gesagt und bin allein ins Krankenhaus gegangen. Es wär mir gar nie in den Sinn gekommen, dass mich jemand dorthin begleiten könnte. „Ich mach das allein, ich brauch niemanden, ich kann das selber!“, war meine Überzeugung. Schade vielleicht, denn hätte ich damals schon drüber reden können, wär es vielleicht leichter geworden. Aber das sind jetzt nur Vermutungen.
Ich erinnere mich gern an die Zeit im LKH Judenburg. Alles lief wie am Schnürchen. Zuerst hab ich dem damaligen Primar, der etwas genervt einen letzten Blick auf meine Verdichtung werfen wollte, noch erklärt: „Etwas mehr Ruhe würde Ihnen und mir gut tun!“. Das war der Beginn einer sehr angenehmen Beziehung zu einem fachlich und mitmenschlich hochqualifizierten Arzt, neben den vielen anderen. Danke! Die „Schwestern“, die Ärztinnen, mein Gynäkologe, alle zusammen gaben mir Zuversicht. Ging mir manchmal das „Häferl“ über, unterstützten sie mich mit Verständnis und mütterlicher Geduld.
Wie schaut´s zuhause aus?
Zuhaus ging das Leben weiter. Wahrscheinlich etwas schaumgebremst, aber das bekam ich gar nicht mit. Ich war zu sehr mit mir selbst beschäftigt. Erst viele Jahre später dachte ich drüber nach, was es für meine Kinder bedeutet haben könnte, dass ihre Mama krank ist. Ich hab immer versucht, sie zu beschützen, in dem ich gesagt hab: „Alles ok, alles wird wieder gut! Die Mama macht das schon!“ So wie ich immer alles gemacht und geschafft hab! Es ist gut möglich, dass sie, alle 3, einen Denkzettel für ihr Leben mitbekommen haben.
Wie gesagt, alles lief wie am Schnürchen. Schon im März bekam ich die Info: 33 Bestrahlungen in Graz. Bua! Auch gut, machen wir. Ich fand ein Taxiunternehmen für die Fahrten. Noch heute muss ich über das schmunzeln, was Walter, mein Chauffeur, mir viele Jahre später erzählt hat. Ich fühlte mich einfach wohl in seinem Auto, ich stellte Radio und Heizung mit einem Selbstverständnis so ein, wie ich es für richtig hielt. Wir lachten viel und ich hatte eine schöne Zeit. Nur an manchen Tagen wollte ich nicht sprechen, nur weinen, weil „scheisse, ich bin müde, ich mag nicht, und wieso eigentlich“. In Graz gab es dann immer einen Kakao aus dem Automaten für Walter und für mich. Man gönnt sich ja sonst nichts. Bereits im Juni konnte ich schon zur Reha nach Bad Schallerbach reisen. Wie gesagt, Schuss durch!
Was ich nicht weiß, macht mich nicht …. ängstlich
Eine Begebenheit war sehr einprägsam für mich: Vor medizinischen Eingriffen und Behandlungen gibt es ja immer elendslange Erklärungen und Absicherungen, ob man es hören will oder nicht. Ich gehör zu denen, die es nicht hören und sehen und wissen wollen. Und ich weiß für mich auch, dass ich ohne diese Infos besser dran bin. Ich vertrau den Ärzten, sie wissen, was zu tun ist. Und damit hab ich bis heute nur Gutes erlebt. Damals hat mir die Ärztin erklärt, eine Lungenentzündung könnte eine der Folgen der vielen Bestrahlungen sein. In der Halbzeit der Termine wurde ich immer kurzatmiger, hustete und bekam die Panik. Das Angebot, jederzeit fragen zu können, nahm ich gern in Anspruch. Ich erklärte meine Befürchtung. Da die nicht sofort ein das Notfallprogramm startete und mir weiter gelassen zuhörte, dachte ich kurz nach. Meine Frage: „Oder ist das nur in meinem Kopf? Bilde ich mir das ein?“, beantwortete sie mit: „Ja, das ist möglich!“. Schon auf der Heimfahrt hustete ich weniger, konnte wieder tief durchatmen und fühlte mich gleich viel besser. Was Gedanken und die Angst bei mir alles anstellen können!?!
Zehn Jahre später
Wieder steht Weihnachten vor der Tür. Diesmal sind die Bedingungen andere. Ich hab meine Mammografie bereits im Sommer erfolgreich, weil ohne Befund, positiv bestanden, nachdem ich auch auf der anderen Brust eine kleine Operation wegen „gutartig“ hatte.
Ich hab einen neuen Job, einen, der mich herausfordert, der Spaß macht und der mir auch noch Zeit zum Leben lässt. Die Kinder sind selbstständig. Ich hab es geschafft!
Ich nehme mir vor, … Nein, ich nehme mir jetzt Zeit für mich. Zeit, das zu tun, was mir gut tut und was mir Freude macht. Hoffentlich schaff ich es bald, an manchen Tagen nichts zu tun. Auch das tut gut.
Und endlich beginne ich mit meinem Blog. Ich freu mich schon, meine Ideen und Bilder mit euch zu teilen.
Nicole C. Bernhauser